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Leptonen im Standard-Modell - Die Neutrinos (Erzeugung und Nachweis)  

Neutrinos, die "ungeladenen kleinen Partner" der geladenen Leptonen, haben erstaunliche Eigenschaften. Sie könnten z.B. problemlos Bleischichten     durchdringen, die mehrere Lichtjahre dick sind, ohne mit irgendeinem Teilchen in Wechselwirkung zu treten.    

Woher kommen die Neutrinos in der Natur?
Neutrinos werden bei einer Vielzahl verschiedener Zerfälle und Wechselwirkungsprozesse erzeugt, die z.B. in Sternen wie unserer Sonne stattfinden. Bekanntestes Beispiel ist der Beta-minus-Zerfall, bei dem ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Elektron-Antineutrino zerfällt (siehe dazu die symbolische Abb. rechts). Sogenannte atmosphärische Neutrinos werden in der oberen Erdatmosphäre durch Höhenstrahlung verursacht.  der Beta-Minus-Zerfall (symbolische Darstellung)

Da sie elektrisch ungeladen sind, kann man sie nicht mit elektromagnetischen Feldern untersuchen. Da sie keine Farbladung tragen, fällt auch die starke Wechselwirkung für eine Untersuchung aus. Es bleibt also nur die schwache Wechselwirkung, d.h. in erster Linie   der Zerfall (z.B. "Beta-minus") übrig, um etwas über die Neutrinos herauszufinden. Um nicht nur auf den natürlichen Neutrinostrom (z.B. Sonnenneutrinos) angewiesen zu sein, erzeugt man künstlich hochenergetische Neutrinostrahlen. 

Wie kann man Neutrinos künstlich erzeugen? 
Man schießt Protonen auf ein Target, wobei eine Vielzahl von Sekundärteilchen erzeugt wird, von denen man die elektrisch geladenen (viele Pionen, Kaonen,  D-Mesonen...) zu einem Strahl bündelt. Der Strahl dieser Sekundärteilchen wird mit Magneten abgelenkt und fokussiert. Während der Weiterleitung über mehrere hundert Meter zerfallen die geladenen Teilchen, wobei auch viele Neutrinos entstehen. Um aus dem Strahl vieler Teilchen einen reinen Neutrinostrahl zu machen, werden die anderen Teilchen mit langen Absorbern, in denen sie steckenbleiben, "herausgefiltert". Am CERN hat man sogar den Stahl eines alten Schlachtschiffes als Absorber (13,5 m dick!) benutzt. Die Neutrinos lassen sich dadurch nicht beeindrucken, fliegen durch und übrig bleibt der gewünschte Neutrinostrahl. Über die Bündelung und die Weiterleitung der Sekundärteilchen kann der Strahl schon vorher so eingestellt werden, dass seine Teilchen eine bestimmte Energie besitzt.

Neben dieser Methode nutzt man auch die Neutrinos, die bei Zerfällen in     Kernreaktoren entstehen. Ihre Energie liegt im MeV-Bereich.    

Wie weist man Neutrinos nach?
Der "Nachweis eines Teilchens" ist gleichbedeutend mit dem "Nachweis einer stattgefundenen Wechselwirkung" zwischen dem Teilchen und irgendeinem Stoßpartner. Da sich Neutrinos mit Lichtgeschwindigkeit bewegen und nur sehr selten wechselwirken, muss man ihnen auf möglichst kleinem Raum möglichst viele Stoßpartner anbieten. Besonders schwere Materialien bieten mit ihren schweren Atomkernen und den vielen darin enthaltenen Nukleonen sehr viele Stoßpartner an. 

Als Beispiel für einen experimentellen Neutrinonachweis, betrachten wir den Aufbau, den Cowan und Reines 1959 beim ersten experimentellen Nachweis eines Elektron-Antineutrinos benutzten. Als Stoßpartner für Neutrinos aus einem Kernreaktor nutzten sie Protonen von Wasser. Dazu stellten sie ein Target aus Wasser mit einer Lösung von Cadmiumchlorid (CdCl 2 ) auf (siehe dazu die Animation rechts).    Wenn ein Neutrino ( n e ) auf ein Proton (p) stößt, entsteht ein freies Neutron (n) und ein Positron (e + ):     
  n e + p à n + e +    
Apparatur zur Entdeckung einer Neutrino-Reaktion















Einzelbilder abrufen:

Hinweise zur Animation (s. Abb. rechts oben):
Nach etwa 10 -9 s = 1 ns wird das Positron zusammen mit einem der rundherum vorhandenen Elektronen vernichtet (e + -e - -
Annihilation ), wobei zwei Photonen ( g -Quanten) entstehen, die im Detektor registriert werden.    
Das freie Neutron wird im Wasser abgebremst und nach etwa 10 -6 s = 1 m s von einem Cadmiumkern eingefangen. Dabei werden wieder zwei Photonen frei, die der Detektor registriert.    
Zum Nachweis eines Neutrinos muss man folglich auf zwei Detektor-Signale (1. Positron-Vernichtung und 2. Neutroneinfang) mit einem zeitlichen Abstand von ca. 1 m s warten. (siehe dazu auch   zum Literaturverzeichnis;  [RAN 1991, S. 73] und  zum Literaturverzeichnis;  [LOH 1992, S. 34]
Probleme durch Überschneidungen mehrerer fast gleichzeitig stattfindender Reaktionen gibt es nicht, denn trotz eines riesig erscheinenden Neutrino- Flusses von " 10 13 Stück pro cm 2 " ( 10 13 cm -2 ) und Sekunde (beim Originalexperiment), findet die Reaktion so selten statt, dass man nebenbei in Ruhe einen Kaffee trinken kann. Die Reaktionsrate für diesen Prozess ist extrem klein, der Wirkungsquerschnitt liegt nur bei ca. 10 -43 cm 2 .     Ein ähnliches Experiment ( GALLEX ) zur Untersuchung von Sonnenneutrinos wird in einem Tunnel unter dem Gran-Sasso-Massiv in Italien durchgeführt.
Man geht dazu in tiefe Bergstollen, um die störenden Einflüsse der Höhenstrahlung, die durch das Bergmassiv absorbiert wird, zu eliminieren. Als Detektormaterial wird eine Gallium-Verbindung benutzt. 

Eine andere Nachweismöglichkeit besteht darin, die Spuren einer Kollision zwischen einem Neutrino und einem anderen Atomkern z.B. in einer Blasenkammer zu fotografieren. Die Abbildung rechts zeigt die weltweit erste Aufnahme einer Neutrino-Kollision ( p + n à p + m - + p + ) in einer Wasserstoff-Blasenkammer, die im November 1970 gelang. An der Stelle, an der das Neutrino ( n ohne Spur) ein Proton trifft, beginnen drei Spuren. Das Proton (p) fliegt weg und es entstehen ein Müon ( m - ) und ein Pion ( p + ).     
Das Bild wurde freundlicherweise von Malcolm Derrick vom Argonne National Laboratory zur Verfügung gestellt.  
Neutrino-Reaktion in einer Wasserstoff-Blasenkammer

Die Suche nach der Antwort auf die Frage nach der Neutrinomasse ist ein aktuelles Forschungsgebiet der Teilchenphysiker. Mehr dazu auf der nächsten Seite.

 
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